Dienstag, 22. März 2016

Aus einer Passionsandacht...

Einsam (Mt 23, 36 -  46)

Ich fühle mich einsam. In der Menge der Menschen bleiben mir alle fremd. Ich bin abgeschnitten vom Band der Gemeinschaft. Meine Erwartungen sind enttäuscht. Was ich meinte gegeben zu haben, bleibt unerwidert. Ich brauche Hilfe und ernte Geschäftigkeit. Ich suche Verständnis und stoße auf müde Ohren, die aufnehmen, ohne zuzuhören. Ich bin nur ein Rauschen im Kopf der anderen. Ich bin allein. Angst und Traurigkeit durchdringen meinen Körper wie Kälte an regennassen Tagen. Eure Überforderung erdrückt mich. Die Einsamkeit beugt meinen Rücken. Eure Gleichgültigkeit lässt mich schaudern. Nie wieder will ich euch um etwas bitten! Vergeblich habe ich auf Trost gehofft.

Du hast gebetet voller Angst. Um das Unglück wissend, hast du auf Beistand gehofft und fandest schlafend, die du liebtest. Du hast deine Freunde gebeten, wach zu bleiben, um das Warten auf das Unausweichliche zu teilen. Gott hast du in den Ohren gelegen, der Kelch möge an dir vorübergehen. Gerungen hast du mit dir, ihn doch zu trinken, und hast dabei auf Trost gehofft. Doch die Gefährten verschliefen deinen stillen Schmerz. Die du liebtest, hatten ihre eigene Not. Die zu dir gehörten, überhörten deinen stummen Schrei. Du warst allein.
Deshalb bist du da, wenn ich meine Einsamkeit beklage. Darum wachst du, wenn ich mich selbst verlasse. Du klopfst an mein Herz, bevor es verhärtet. Weil du meine Einsamkeit teilst, kennt meine Angst Grenzen.Im Garten Gethsemane begräbt deine Einsamkeit mein  Alleinsein.


Verraten (Mt. 26, 47 - 56)

Ich bin verraten und verkauft. Weil ich auf falsche Freunde gesetzt habe, muss ich meine Gutgläubigkeit ausbaden. So vieles haben wir gemeinsam erlebt, manche Schlacht zusammen geschlagen. Manches Mal bin ich über meinen Schatten gesprungen, um die Treue zu halten. Doch nun muß ich für meine Freundschaft bezahlen. Verrat steht gegen Vertrauen. Ich werde ausgeliefert, weil sie sich einen Vorteil erhoffen. Sie suchen ihren Gewinn in meinem Untergang. Der Wind hat sich gedreht. Verbundenheit wird mit Füßen getreten. Ich fühle mich enttäuscht, ausgenutzt, verletzt. Aus Freunden sind Feinde geworden. Manche Menschen haben zwei Gesichter, vorne freundlich und nett, hinten verbissen, niederträchtig, gemein. Sie flüstern, zerreißen sich das Maul, erfinden Geschichten über mich. Alle sehen zu. Ich bin nackt, bloßgestellt, missbraucht. Jeder neue Tag wird zum Spießrutenlauf. Ich bin gefangen in eurem Bild, das ihr von mir gemalt habt. Verraten, verkauft und ausgeliefert.

Dich hat der Freund verraten. Er war einer deiner Vertrauten, mit denen du alles geteilt hast. Das Geräusch des Bruderkusses muss für dich geklungen haben wie der Knall eines Peitschenhiebes. Das Zeichen der Freundschaft besiegelte den Verrat. Wie viel Kälte musst du darin gespürt haben? Sie haben dich gestellt wie einen Verbrecher. Sie waren viele, um einen Einzigen zu holen, der doch widerstandslos mitging. Du solltest zum Opfer werden. An dir sollte ein Exempel statuiert werden. Doch du bliebst aufrecht und treu. Du hast nicht zugelassen, dass dir Trauer, Enttäuschung und Verrat die Würde nehmen. Du hast es geschafft, den Verräter nicht zu verachten, und ergabst dich seiner List um unsretwillen. Weil du den Verrat ertragen hast, macht du mir Mut, mir selbst die Treue zu halten. Dass du nicht anfingst, blind zu hassen, verpflichtet mich zur Menschlichkeit.



Gottverlassen (Mt 27, 31 - 50)

Ich möchte manchmal schreien, weil ich nicht mehr kann und nicht mehr will. Meine Kraft ist aufbraucht. So lange habe ich vergeblich gekämpft. Ich klage Gott an. Ich rufe alle meine Fragen zum Himmel und warte vergeblich auf eine Antwort, ein Zeichen, eine Ahnung. Ich sehe schreckliche Bilder, erlebe fürchterliche Dinge und frage: Wieso muss das geschehen? Doch ich schreie gegen die Wand seines Schweigens. Ich suche nach einer Erklärung. Doch meine Logik stößt an ihre Grenzen. Ich bin ohnmächtig.
Wie kann ein Mensch das aushalten? Etwas in mir stirbt. Meine Seele flieht nach nirgendwo. Ich falle ins Schwarze. Ausweglos. Niemand kann jetzt helfen. In mir zerreißt der Vorhang der Selbstbeherrschung.

Dich haben sie festgenagelt. Das Schild über deinem Kopf zeigt, dass Ironie und Spott töten können. Sie waren zu sehr mit sich beschäftigt, um sich von dir retten zu lassen. Dein Vorbild war ihnen unerträglich. Wer dir begegnete, konnte nicht länger vor sich davonlaufen. Selbst die Mächtigen hast du verunsichert. Sie haben dich mit ihrer Angst ans Kreuz geschlagen. Du bist unschuldig gestorben. Sie haben dich ausgezogen, gefoltert, gequält, geschändet. Dein Sterben wurde öffentlich zur Schau getragen. Und Gott, dein Gott, den du Vater nanntest, schwieg still. Allein, verraten, verlassen von Gott und Mensch erstarb dein gellender Schrei im Dunkel dieser Welt.
Deine Heillosigkeit ist meine Rettung. Wenn ich  meine Fragen in den Himmel schreie, weiß ich dich als Bruder neben mir. Dass du in deiner Schwäche so stark warst, lässt mich Mensch bleiben. Deine nackte Hilflosigkeit am Kreuz ist Garant meiner Würde. Du bist da, wo unsere Not am größten ist. Das ist der Grund der Auferstehung zum Leben.